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WICHTIGE BEITRÄGE
Ein neuer Krieg um Bergkarabach
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Noch ein letzter Schritt zum Krieg?
Bleibt das herrschende Regime in Armenien?
Präsidentschaftswahlen in Armenien:
Bleibt das herrschende Regime im Land?
An der bejahenden Antwort auf die oben gestellte Frage hat bis vor kurzem niemand gezwiefelt.
Das autoritäre Regime unter dem jetzigen Präsidenten Robert Kotscharjan zeigte sich bisher als ausreichend stark und der Widerstand gegen ihn blieb in der Gesellschaft relativ schwach. Besonders nachdem im Mai vergangenen Jahres die Regierungspartei (Republikanische Partei Armeniens) die Parlamentswahlen mit einer beeindruckenden Mehrheit gewann, zweifelte fast niemand, dass ein Sieg ihres Kandidaten bei den für den 19. Februar festgesetzten Präsidentschaftswahlen schwierig werden könnte. Auf jeden Fall rechnete niemand damit, dass das herrschenden Regime und sein Kandidat für das Präsidentenamt auf seinem Weg auf besonders starke Gegner treffen würde.
Aber diesmal sollte sich zeigen, dass nicht ganz als richtig erweisen: der gesamte Prozess des Wahlkampfes war voller „kleiner Überraschungen“ und die Machtinhaber standen vor einer besonderen Herausforderung – verbunden mit dem Namen des früheren Präsidenten „Ter-Petrosjan“, mit dem man sich besonders intensiv auseinander setzten musste. Die unerwartete „Rückmeldung“ des Ex-Präsidenten auf der politischen Bühne als Präsidentschaftskandidat wurde für die jetzigen Machtinhaber zur ernsthaften Bedrohung.
Aber bevor wir ausführlicher auf diese wichtige, ja zentrale Frage der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen eingehen, noch einige Bemerkungen zur allgemeinen Situation:
Für die Präsidentschaftswahlen in Armenien, die am 19. Februar dieses Jahres stattfinden, wurde von der Zentralen Wahlkommission insgesamt 9 Kandidaten registriert. Es handelt sich um folgende Persönlichkeiten:
1. Serje Sarkisjan, derzeitiger Ministerpräsident und Vorsitzender der Republikanischen Partei Armeniens
2. Vasgen Manukjan, Ex-Ministerpräsident und Vorsitzender des oppositionellen national-demokratischen Bundes
3. Vaan Ovanesjan, Stellvertretender Vorsitzender der Nationaler Versammlung und Mitglied der Partei Daschnakzutjun
4. Artur Bagdasarjan, ehemaliger Parlamentspräsident und Vorsitzender der Partei „Orinaz erkir“
5. Levon Ter-Petrosyan, der erste Präsident der unabhängigen Republik Armenien und Vorsitzender der „Armenischen Allnationalen Bewegung“
6. Artasches Gegemjan, Vorsitzender der Partei der Nationale Einheit
7. Tigran Karapetjan, Vorsitzender der Volkspartei
8. Aram Artunjan, Vorsitzender der Partei Nationalen Einigung
9. Arman Melikjan, ehemaliger Berater des Führers der Separatisten von Berg–Karabach
Nur ein Antrag auf Kandidatur wurde von der Zentralen Wahlkommission angelehnt, es handelt sich dabei um Aram Karapetjan, den Führer der oppositionellen Partei „Neue Zeiten“, welcher nicht nachweisen konnte, dass er die letzten 10 Jahre in Armenien gelebt hat, so wie es das Wahlgesetz vorschreibt.
Schaut man sich die Liste der Kandidaten an, so wird deutlich, dass hier Personen mit eindrucksvollen politischen Karrieren versammelt sind. Aber die Mehrheit der Beobachter ist sich darüber einig, das aus ihren Reihen nur zwei oder drei ernsthafte Chancen bei den Wahlen haben.
Beginnen wir mit dem Kandidaten der Machtinhaber: dass es sich dabei um Serje Sarkisjan handelt, steht außer Zweifel. Er ist ein Vertreter der politischen Linie des jetzigen Präsidenten Kotscharjan und in dieser Eigenschaft wird er als sein Nachfolger gehandelt (Einige sehen hier durchaus Parallelen zur russischen Variante „Putin – Nachfolger Medvedjev“). Hier wäre auch anzumerken, dass Sarkisjan der Wunschkandidat Moskaus ist, was nicht unwichtig ist für einen KIandidaten in einem Land, wo der russische Einfluss im Vergleich zu allen anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion am stärksten ausgeprägt ist. Viele Beobachter sagen seinen Wahlsieg voraus und unterstreichen, dass die Machtinhaber alles unternehmen werden, um seinen Sieg mit allen Mitteln zu garantieren: Die Nutzung aller administrativen Vorteile und materiell-finanziellen Ressourcen, die ganze propagandistische Stärke des Staatsapparates usw.. Darüber hinaus wird damit gerechnet, dass die Machtinhaber zur Sicherung eines Sieges von Sarkisjan auch bereit wären, zum Mittel der Wahlfälschungen zu greifen.
Unter den anderen Kandidaten werden Levon Ter-Petrojan und Vasgen Manukjan der Vorsitzende der oppositionellen Partei „Orinaz erkir“ mehr oder weniger ernsthafte Chancen eingeräumt. Die anderen Kandidaten unterscheiden sich durch offensichtlich schon durch den Grad der Popularität im Lande und sind keine ernsthaften Gegner für den Kandidaten der Macht.
Was den zweiten starken Gegenkandidaten anbelangt – Vasgen Manukjan – so wird ihm – trotz steigender Popularität bescheinigt, dass er sich eben nicht durch eine tatsächliche Gegnerschaft zum derzeit an der Macht befindlichen System unterscheidet und dadurch nicht als eine wirkliche Alternative gesehen wird. – In dieser Rolle wird (sowohl von seiten der Macht als auch von Beobachtern) nur ein Kandidat – der Ex-Präsident des Landes – gewertet.
Ter-Petrosyan als der Hauptgegner des Regimes
Der erste Präsident Armeniens, welcher am 1. September vergangenen Jahres erstmals von seiner Absicht sprach an die Macht zurückzukehren, brachte damit alle Karten der Machtinhaber durcheinander.
Ter-Petrosjan musste 1998 sein Amt nieder legen, nachdem er Gesprächs- und Kompromissbereitschaft bei Verhandlungen des Karabach-Konfliktesangekündigt hatte. Seitdem war von der politischen Bühne verschwunden fast nichts von ihm gehört worden. Nun trat er am 26. Oktober völlig unerwartet auf einem Meeting der Opposition mit der Ankündigung auf, bei den Präsidentschaftswahlen zu kandidieren. Seitdem sammelte er auf Massenveranstaltungen mit vielen tausenden Teilnehmern seine Anhänger und erklärte sich zum erbitterten Gegener des regierenden Regimes.
Erstens: seine Losungen und erklärten Ziele stehen völlig konträr zu den der offiziellen Seite. Der frühere Nationalist, Führer der nationalen Karabach-Bewegung erklärt heute, dass „für ihn die Freiheit höher steht als Staatlichkeit, Unabhängigkeit, Nationales und Wohlstand“. Er beschloss an die Macht zurück zu kehren, um im Lande Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gesetzlichkeit und Menschenrechte herzustellen.
Weiter: Er klagte öffentlich die derzeitigen Machtinhaber der Verbrechen gegen das eigene Volk an, bezeichnete Kotscharjan und Co. als „Bandokratie“. An der durchgängigen Korruption, der Monopolisierung der Wirtschaft des Landes in den Händen einzelner Personen, der Nichtlösung des Karabach-Problems und anderen Schändlichkeiten seien verschuldet durch die Herrschenden.
Er beschuldigt Präsident Kotscharjan und seinen Premier Sarkisjan ernsthafter Verbrechen, so der Organisation terroristischer Aktionen gegen einzelne Politiker. So sei zum Beispiel “ihre Macht auf dem Blut nationaler Helden wie Karen Demircjan und Vazgen Sarkisjan (begründet worden), welche 1999 bei einem Überfall auf das Parlament erschossen wurden”.
Weiter wies er darauf hin, dass seine Gegner Kotscharjan und Sarkisjan gebürtig sind in Karabach und in Armenien die Herrschaft eines verbrecherischen Karabach-Clans etablierten. Die Karabacher aus dem Kreise Kotscharjans würden – nach seinen Worten – zunehmend zu den Herren ganz Armeniens und beherrschten alle Reichtümer des Landes, während die örtlichen Armenier gezwungen seien in Armut und Rechtlosigkeit zu leben.
Neben solchen scharfen Erklärungen schlägt der Ex-Präsident gleichzeitig eine radikale Kursänderung in Bezug auf Aserbaidschan und die Türkei vor. Er besteht darauf, dass es trotz aller Probleme gelte, eine gemeinsame Sprache zu finden, weil sowohl eine Lösung des Karabach-Problems als auch die wirtschaftlichen Interessen des Landes nach Kompromissen verlangen.
Petrosjan erklärt, dass er nur für drei Jahre an die Macht strebt, um normale demokratische Bedingungen und dami teine Basis für die Achtung aller Menschenrechte für die Lösung des Karabach-Problems mit friedlichen Mitteln zu schaffen. Danach würde er freiwillig die politiche Bühne verlassen.
Nicht eine der führenden Personen seiner Partei der “Armenischen Allnationalen Bewegung” strebe einen hohen politischen Posten an, deshalb habe er seine Kandidatur nicht als Vertreter der Partei, sondern der “Bürgerinitiative” aufgestellt.
Mit einem Wort mit dem Erscheinen Petrosjans auf der politischen Bühne unterscheiden sich die Präsidentschaftswahlen in Armenien drastisch von allen vorhergehenden Wahlen in Armenien. Weil es diesmal nicht nur um einen Machtwechsel geht, sondern um den Wechsel eines Machtsystems (von einer Autokratie zu einer Demokratie) und entsprechend um einen scharfen Wechsel in der Innen- und Außenpolitik des Landes. Hier muss man anmerken vor allem die Politik in Bezug auf die Nachbarn (seine Ankündigung einer Verbesserung der Beziehungen zu Aserbaidschan beantwortete Kotscharjan mit den scharfen Worten “Die Liebe Ter-Petrosjans zu Aserbaidschan nehme einen krankhaften Charakter an”).
(Interessant und paradox ist in dieser Situation die Reaktion der aserbaidschanischen Öffentlichkeit: Sogar Anhänger der Demokratie äußern sich in dem Sinne, dass es für die Lösung des Karabach-Problems durchaus gut sei, wenn Petrosjan die Wahl gewinne, aber infolge eines solchen Sieges und einer solchen Politik steige das internationale politische Image Armeniens, was wiederum schädlich wäre für das Ansehen Aserbaidschans. Solange eine autoritäre Figur wie Sarkisjan an der Macht sei, welcher in Bezug auf Karabach einen radikalen Kurs der Stärke fahre, sähen die autoritären Kreise Aserbaidschans noch “gut” aus! – Die Erklärung, es handle sich bei einer solchen Position um politischen Pragmatismus erscheint recht sonderbar!)
In Armenien sammeln sich jedoch NGO’s, Menschenrechtler, Jugendorganisationen um Petrosjan, ungeachtet des Druckes, den die Machtinhaber auf sie ausüben, um eine Vereinigung um die Figur Ter-Petrosjans zu verhindern.
Zweifellos steigt so die Popularität des Ex-Präsidenten, die seinerzeit auch durch die schwierige wirtschaftliche und soziale Lage in dem rohstoffarmen Land gefallen war. Sie stellt eine ernsthafte Bedrohung dar, die mit allen Mittel angewehrt werden soll: die gesamte Macht der staatlichen Strukturen, der Massen-Medien sind gegen Ter-Petrosjan gerichtet und sogar die Oppositionskandidaten mit ihren Parteien stimmten in dem Kampf gegen ihn ein. Ungeachtet dessen steigt sein Rating. Bis heute haben 10 Parteien ihre Unterstützung für Ter-Petrosjan erklärt: darunter sind: die Partei des Volkes, die Konservative Partei, die Sozial-Demokratisch Partei, die Partei Liberale und Progress, die Partei “Armenische Heimat”, die Partei der Freiheit u a. . Hinzu füllt sich die Anhängerschaft aus den Reihen der Geschäftsleute, Beamten, Militärs… Kurz gesagt die realen Chancen für einen Sieg des Ex-Präsidenten bei den Wahlen steigen. Würden sich jedoch die Machtinhaber damit abfinden?
- Das ist die Hauptfrage, welche überall steht, wo autoritäre Strukturen regieren, da dort Wahlen nicht stattfinden, um der Bevölkerung das recht zur “Auswahl” zu geben, sondern, um monopolisierte Macht zu legitimieren.
Was wird sein, wenn die Wahlen erneut gefälscht und der Demokrat Petrosjan zur Machtausübung nicht zugelassen wird? Wieder eine “farbige Revolution”?
- Gerade daran zweifeln viele Beobachter.
Chancen für die Demokratie
oder einige Vergleiche
Man sagt, dass die gegenwärtig bevorstehenden Wahlen nicht vergleichbar sind mit den Wahlen in der Ucraine, Aserbaidschan, Georgien und Russland. Es bestätigt sich dass wir hier eine völlig andere Situation und Bedingungen vorfinden. Deshalb können kaum Prognosen für den Ausgang der wahlen und die weitere Entwicklung gestellt werden.
Uns erscheint es, dass es durchaus einige Parallelen zu Entwicklungen in diesel Ländern gibt.
In erster Linie gibt es Ähnlichkeiten mit Aserbaidschan:
In beiden benachbarten Staaten ist das Karabach-Problem im Wahlkampf zentral.
In beiden Ländern regieren autoritäre Regime die bisher nicht einmal freie und demokratische wahlen durchgeführ haben. Beide herrschenden Regime manipulieren mit der Karabach-Frage und führen in den jeweiligen Gesellschaften eine Politik, die sich gegen den jeweils anderei als “Feind” artikuliert.
In beiden Ländern sind die Machtstrukturen auf Clans gestützt und sie sind zu allem – sogra zu einem Blutvergießen - bereit, um ihre Machtposition zu verteidigen. – Das haben sie in der Vergangeheit bereits mehrfach bewiesen.
Zugleich gibt es Unterschiede:
In Aserbaidschan wurde die demokratisch orientierte Opposition nicht durch den Western unterstützt: die Regierung der USA und der EU beschlossen mit der autoritären Regierung zusammen zu arbeiten, um ihre Erdölinteressen zu sichern. In Armenien sind die westlichen Staaten eher daran interessiert, dass demokratische Kräfte an die Macht gelangen.
In Unterschied zur aserbaidschanischen demokratischen Opposition haben die Oppositionskräfte in Armenien diesmal eine charismatische Führerfigur, die in der Lage ist, mehrheitlich demokratische Kräfte um sich zu sammeln.
In der außenpolitischen Orientierung unterscheiden sich beide staaten grundsätzlich. Während die aserbaidschanische Führung eine ausbalancierte Politik zwischen Russland und dem Western anstrebt, orientiert sich Armenien einseitig an Russland (die Opposition Unter Ter-Petrosjan strebt danach, sich ausdrücklich von der Rolle zu befreien, die Moskau Armenien als Vorposten in der region zugedacht hat).
Die Chancen für eine demokratische Oppositioon in Armenien ist um vieles höher als in Aserbaidschan.
Zu einigen Vergleichen mit Georgien:
- In der gegenwärtigen Etappe verfügt die armenische Opposition wie in Georgien über reale Chancen auf einen Wahlsieg und die Massen zur Not auch zu mobilisieren, um im Fall der wahlfälschung die Wähler zur Verteidigung ihres Wahlsieges zu führen.
- Wie in Georgien hat die Opposition Anhänger in den Reihen des Parlaments und in anderen Machtstrukturen, welche einen Machtwechsel nicht zu befürchten brauchen.
- Im gegenwärtigen Moment ist in Armenien wie in georgien zu beobachten, dass sich die Menschen von der Angst vor den Machtstrukturen frei machen.
- Nicht zuletzt, wurde der Machtkampf Saakaschwili vom Western unterstützt und wenn auch eine solche aktive Unterstützung für die armenische Opposition nicht zu beobachten ist, so sind doch deutliche Signale erkennbar, dass ein Machtwechsel seine Befürworter im Western findet.
- Im Unterschied zu Georgien ist jedoch nciht zu erwarten, dass alle Vertreter der Macht bereit wären, ihre Position freiwillig/freidlich aufzugeben.
- Andererseits ist anzumerken, dass unter Schewardnadze das Lebensniveau in georgien so rapide gefallenwar, dass die Gesellschaft sich radikalisierte. In Armenien war unter Kotscharjan jedoch ein spürbarer wirtschaftlicher Aufschwung erkennbar. Deshalb ist auch die Variante nicht ausgeschlossen, dass ein Teil der Bevölkerung mit dem “Bauch” abstimmen wird und sich doch für Sarkisjan entscheidet.
Auch wenn hier weitere Vergleiche mit der Wahlsituation in anderen GUS-Staaten ausgespart bleiben, wird deutlich, dass es durchaus Vergleichsebenen gibt. Das bedeutet, dass analoge Szenarien der Ereignisse nicht ausgeschlossen sind.
D.h. alle beliebigen Varianten, wie wir sie in den letzten Jahren in den anderen Staaten beobachten konnten, sind möglich.
Bis zur Entscheidung darüber, welche Variante – die georgische, ukrainische oder die Schach-Variante nach Putin in Russland, welche die armenischen Machthaber planen, – Erfolg haben wird, verbleibt nur wenig Zeit.
Rasim Mirzayev
14. Februar 2008