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WICHTIGE BEITRÄGE
Ein neuer Krieg um Bergkarabach
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...weiterlesenArmenien: eine Gesellschaft voller Hass. Wie kommt es dazu?
...weiterlesenKonflikt zwischen Russland und Georgien:
Noch ein letzter Schritt zum Krieg?
Georgien und Saakashvili
Georgien und Saakashvili: Was wird draus werden?
(Zu den georgischen Ereignissen 2. – 7. November 2007)
Was war das:
Der Triumph des Autoritarismus
oder Blamage und Diskreditierung der Demokratie?
Zweifellos ist alles, was in Georgien während der letzten Ausschreitungen passierte, eine große Blamage für die derzeitige Regierung und eine Diskreditierung der Demokratie. Eine starke Regierung hätte mit den Protest – Demonstrationen anders umgehen können und eine überzeugende Demokratie sollte sich auf eine andere Art und Weise verhalten.
Die Enttäuschung, ja sogar die Verbitterung unter der Bevölkerung über das Verhalten der Saakashvili – Regierung in diesen Tagen ist tatsächlich enorm groß. Dabei geht es nicht allein um die demokratischen Perspektiven in Georgien, es handelt sich vielmehr um die Hoffnungen auf die Demokratisierung in einer ganzen Reihe der neuen Staaten. Viele betrachteten Georgien nach der Rosen – Revolution 2003 als ein Vorbild. Nicht nur in den anderen kaukasischen, sondern fast in allen GUS-Ländern sah das demokratische Lager Saakashvilis Georgien als Hoffnungsträger. Insofern scheinen die jüngsten Ereignisse dieses Bild zerstört zu haben, verschlechtern sich die Chancen auch für andere Demokraten.
Wenn die georgische Regierung, deren demokratisches Image mehr oder weniger bisher anhielt, mit ihrer Opposition so gewaltsam umgeht, was kann/soll man dann erst von den Machthabern der autoritären Regime erwarten? – Die Frage wird immer mehr und zu recht gestellt…
In diesem Sinne hat Saakashvilis Verhalten unserer Meinung nach wirklich zu einem Triumph autoritärer Herrschaftsausübung beigetragen.
Aber heisst das auch, dass Saakashvili in der Tat eher ein Autokrat als ein Demokrat ist? – Diese Frage spaltet nicht nur seine Landesleuten; viele Beobachter gehen in ihren Meinungen auseinander oder bleiben noch zurückhaltend.
Man könnte vielleicht die Frage andersherum stellen:
Wenn Saakashvili kein autoritärer Herrscher sein sollte, …
Warum ist dann alles so weit gekommen?
Nach den schlichten Erklärungen der Machthaber waren die Aktionen der Opposition eine reine Provokation, die von den russischen Geheimdiensten unterstützt wurden, und das Ziel hatten, die derzeitige georgische Regierung zu stürzen.
Da die Regierung fast kein Selbstverschulden für die Eskalation sieht (dies aber kaum der Fall sein kann), schauen wir zunächst auf die Vorwürfe, welche die Opposition gegenüber der Regierung erhoben hat:
Hatten die friedlichen Demonstrationen zunächst mit den konkreten politischen Forderungen zu den kommenden Wahlen (die Rückname einer Verfassungsänderung vom Dezember 2006, die Änderung des ausgeprägten Mehrheitswahlrechts, Änderungen bei der Besetzung der Wahlkommissionen, die Freilassung „politischer Gefangener“ u a.) begonnen, gingen die Demonstranten rasch zu imperativen Rücktrittsforderungen über. („Georgien – ohne Saakashvili!“, „Zurück zur Demokratie!“)
Die Behauptung, dass die Regierung selbst mit ihrem Verhalten die oppositionellen Demonstranten zu kategorischen Losungen drängte, indem sie keinen Dialog mit der Opposition suchte und zunächst auf keinerlei Zugeständnisse eingehen wollte, kann durchaus der Wahrheit entsprechen.
Aber einiges mutet jedoch sehr seltsam an: Denn, wenn sich die Opposition plötzlich zu solchen drastischen Schritten des Protestes entschloss und den sofortigen Rücktritt des Präsidenten verlangte, so stellt sich doch die Frage: ob und was unter der Regierung Saakshvilis so schlimm war, dass sich das Land umgehend von der Herrschaft Saakashvili befreien musste, obwohl Präsidentschafts- und Parlamentswahlen nahezu vor der Tür standen?
Unserer Auffassung nach lohnt es sich, sich mit dieser Frage ein bisschen ausführlicher zu befassen.
- Selbst die Kritiker der heutigen Regierung können nicht umhin, die positiven und grundsätzlichen Veränderungen im Lande zu würdigen. Diese treten besonders deutlich hervor, wenn man den jetzigen Zustand des Landes mit den Amtszeiten von Eduard Schewardnadze vergleicht:
Wenn man unvoreingenommen diese Schritte nur einer Legislaturperiode betrachtet, so ist offensichtlich, dass diese Politik das Land voran getrieben hat.
Also, es können kaum so dringende Gründe sein, um die derzeitige Regierung ohne Verzögerung geradezu vor den erwartenden Neuwahlen zum sofortigen Rücktritt zu zwingen.
Das lässt uns vermuten, dass es – außer der Sturheit und Unnachgiebigkeit der Regierung von Saakashvili – andere Ursachen und Motive für die Radikalisierung der Forderungen der Opposition gegeben hat.
Ob diese darin zu finden sind, dass (wie von der amtierenden Regierung verlautet)‚ die Opposition „einen Staatsstreich“ versuchte, das Land ins Chaos stürzen wollte’ oder ‚ein russisches Geheimdienst-Szenario erfüllte’ – all das kann man momentan weder behaupten noch verneinen.
Auch die andere These, dass die Bevölkerung angeblich die Politik von Saakashvili vollkommen unterstützt und die meisten Demonstranten auf dem Rustaveli Prospekt in den letzten Tagen entweder bezahlte Leute von Öligarchen oder einfach betrogene, naive Leute gewesen seien, stimmt eher auch nicht. Es gab und gibt einen ziemlich großen Anteil der Bevölkerung, der mit der Regierung, insgesamt mit der Politik von Saakashvili gar nicht zufrieden ist.[3]
Den teilweise oben genannten Erfolgen steht gegenüber, dass die Begrenztheit der Ressourcen auch die Festlegung von Prioritäten notwendig machte und nicht alle Probleme gelöst werden konnten: hier ist in erster Linie das soziale Problem zu nennen, welches durch die Unzufriedenheit einen „Druck der Strasse“ erzeugt. Im Unterschied zu den Erwartungen einer Bevölkerungsmehrheit stieg das Lebensniveau der Bevölkerung nur unwesentlich, die Arbeitslosenzahl bleibt immer noch sehr hoch. Zu dieser Situation hat zusätzlich und wesentlich beigetragen, dass durch das gestörte georgisch-russische Verhältnis die Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen worden ist. So haben allein durch das russische Verbot für georgischen Wein und Spirituosen Tausende Weinbauern und Geschäftsleute ihre Existenzgrundlage verloren oder erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. Hinzu kommt, dass viele Georgier in Russland leben und durch den Konfrontationskurs selbst verwandtschaftliche Beziehungen (keine Visumerteilung, Blockade der Verkehrswege usw.) gestört werden. Die Schuldzuweisung erfolgt in Richtung des Präsidenten.[4]
Hinzu kommt die kaukasische Spezialität der politischen Strukturen: die Bindung politischer Opposition an Clan- und Regionalstrukturen. Zur Unzufriedenheit vieler Bevölkerungskreise, der spezifischen „Gruppenbasis“ politischer Akteure kommen Aktivitäten des russischen Geheimdienstes hinzu. Es ist überhaupt nicht ausgeschlossen, dass Russland sich an diesen Ausschreitungen gegen Saakashvilis Regierung in irgendeiner Weise beteiligt hat, um diesen „sturen Mann“ in Tbilissi zu stürzen[5]. Weil offensichtlich die russischen Machthaber keinen größten Wunsch in diesem Land haben, als vom Saakashvili loszuwerden!
Jetzt können wir vielleicht die Frage beantworten: warum dieses Ausmaß der Ausschreitungen? Drei Hauptfaktoren sind unserer Meinung nach hier zu berücksichtigen: 1. Sturheit und Nichtbereitschaft der Regierung zum Dialog mit der Opposition; 2. Radikalisierung der Unzufriedenen Massen und Eskalation der Situation von der Seite der Oppositionspolitiker, 3. Fremdekräfte, die an einer Destabilisierung des Landes große Interesse haben sollten.
Präsidentschaftswahlen und weitere Perspektiven
Gleich nach den Ausschreitungen hat Präsident Saakaschvili neue Präsidentschaftswahlen für den 5. Januar 2008 (also noch früher als erwartet) verkündet. Gleichzeitig erklärte er seinen Rücktritt für den 22. November 2007,[6] und es wurde ein intensiver Dialog mit Vertretern der Opposition aufgenommen.
Inzwischen hat sich ein großer Teil der Opposition (Nationaler Rat der Opposition, der aus 9 Parteien und politische Bewegungen besteht ) auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen geeinigt: Levan Gatschetschiladze[7] (Parlamentsabgeordneter, Unternehmer und Vorsitzender der Partei „Neue Rechte“). Unter den weiteren Kandidaten finden sich auch der bekannte Oligarch und Media -Magnat Badri Patarkazaschvili.
Unabhängige Beobachter bemerken, dass in der kurzen Zeit bis zu den Wahlen es der Opposition sehr schwer fallen wird, sich zu formieren und einen Sieg über Saakashvili zu erringen. Einige prophezeien einen zweiten Wahlgang, bei dem sich Saakashvili gegen einen Vertreter der Opposition direkt beweisen müsste. Bei einer solchen Konstellation hätte es der Oppositionskandidat jedoch sehr schwer, einen Sieg zu erringen. Ein erneuter Sieg Saakashvilis wird nicht ausgeschlossen, auch wenn ein Sieg nicht mehr so eindrucksvoll ausfallen würde, wie bei den letzten Wahlen[8].
Unabhängig davon, ob und wie er an der Macht bleiben wird. Eines ist bereits jetzt deutlich: wenn er aus seiner ersten Amtszeit keine ernsthaften Schlussfolgerungen zieht und seine Fehler beim Antritt einer zweiten Legislaturperiode nicht ernsthaft korrigiert, wird er sich diesmal tatsächlich nicht lange im Amt halten können. Dazu wäre vor allem nötig:
Wenn er seine zweite Legislaturperiode erheblich besser als die erste Periode führen und dabei viel erfolgreicher sein kann, dann hat sowohl Georgien als auch Saakashvili gute Perspektiven für die Zukunft.
Die letzten Informationen aus Georgien:
Rasim Mirzayev
10.November 2007
[1] Unter Schewardnadze war es immer ein großes Risiko, spät abends auf die Straße zu gehen; Raubüberfälle waren sogar am helllichten Tag in Tbilissi üblich; bewaffnete, maskierte Räuber überfielen öffentliche Verkehrsmittel und stahlen alles was die Fahrgäste bei sich hatten. Selbst die Verkehrspolizei (GAI) war eine offizielle Räuberbande: Sie hielt jedes Auto willkürlich an und verlangte pauschal eine Art „Wegezoll“ (Bakschisch/Schmiergeld), dabei spielte es keine Rolle, ob jemand gegen die Verkehrregeln verstoßen hatte oder nicht. Saakashvili löste die verhasste Verkehrspolizei auf, entließ alle Polizisten baute neue Polizeieinheiten mit guter Bezahlung und Ausstattung auf.
[2] Überall in ganzem Land sieht man neue Straßen, neue Bahnhöfe, in Tbilissi wurde ein neuer internationaler Flughafen eröffnet usw. Also der Ausbau der Infrastruktur wurde grundsätzlich favorisiert und als wichtiger für die Zukunft des Landes angesehen als kurzfristige soziale Hilfen.
[3] Eine „Zick-Zack-Stimmung“ zwischen Zufriedenheit und Unzufriedenheit innerhalb des Legislaturperiode war permanent; allerdings wurde Unzufriedenheit in dem Maße, wie sie jetzt nach den Zahlen der Demonstranten (schätzungsweise von 60 000 bis 100 000) zu urteilen so deutlich zum Ausdruck gebracht. Ganz im Gegenteil: bis zu den letzten Ereignissen war die allgemeine Stimmung eindeutig zu Gunsten der Saakashvili-Politik.
Es ist auch bemerkenswert, dass in den letzten zwei Jahren der Patriotismus und der nationale Stolz unter Georgiern, insbesondere unter der jungen Generation wieder sehr hoch stieg. Nach jahrelangen Frustrationen und Resignation während des Bürgerkriegs und unter dem Korruptionsregime sind solche Stimmungsverbesserungen und positiven Einstellungen für das Volk, das einen neuen Staat aufbaut, sehr wichtig. Unter anderem sind die patriotischen Sommer-Lager für Jugendliche und die wiederbelebte Tradition des herbstlichen Hauptstadtfestes mit großen Festveranstaltungen unter Beteiligung des Präsidenten sehr beliebt unter der Bevölkerung.
[4] Dass der Präsident Saakashvili mit seiner Russland-Politik (einschließlich einer aggressiven Rhetorik) immer mehr zur offenen Konfrontation führt und für sein Land und Landsleute erhebliche Probleme verursacht, gilt für vielen Beobachter als unumstritten.
[5] Nachdem die Demonstrationen gewaltig niedergeschlagen waren, haben die offiziellen Fernsehsender einige Tage lang geheim aufgenommene Video- und Audioaufnahmen gezeigt, die angeblich heimliche Treffen und Telefongespräche einiger Oppositionsführer mit russischen Botschaftsmitarbeitern beweisen. Drei russische Diplomaten wurden offiziell zur persona non-grata erklärt und außer Landes verwiesen. Ermittlungsverfahren in diese Richtung werden weiter durchgeführt.
[6] Gemäß Verfassungsgesetz muss der Präsident 45 Tage vor Wahlbeginn von seinem Amt zurücktreten.
[7] Levan Gatschetschiladze hat schon verkündet, falls er die Präsidentschaftswahlen gewinnt, werde er alles dafür tun, um das Präsidentenamt abzuschaffen und Georgien in eine Parlamentarische Rrepublik umzuwandeln. Außerdem werde er die ehemalige Außenministerin Salome Zurabashvili zum Minister-Präsident ernennen, wenn er an die Spitze der Macht kommt.
[8] Nach den Ereignissen wurde eine Internet-Umfrage zur Bewertung der bisherigen 7 Kandidaten durchgeführt. Sogar in dieser schwierigen Situation errang Saakashvili noch fast 50% aller Stimmen, sein wichtigster Rivale Patarkazashvili errang lediglich 18%.