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Opposition in Georgien

Opposition in Georgien:

was treibt sie, welche Chancen gibt es für sie?

Die radikale außerparlamentarische Opposition hat endlich ihr Einverständnis erklärt, mit der Regierung in den Dialog zu treten. Dazu mit keinerlei Vorbedingungen. Bekanntlich hatte sie bis zu diesem Zeitpunkt zwar ab und an eine Dialogbereitschaft erklärt, allerdings stets  erklärt, dass es dabei nur um den Rücktritt der Regierung und speziell Saakashvilis gehen könnte. Bevor es zu einem solchen Schritt des bisher kompromisslosen, radikalen Flügels der Opposition kam, hatte sie sich bereits selbst richtig kompromittiert:

Vorgestern Abend überfielen Anhänger der Opposition das Polizeipräsidium in Tbilisi, um gewaltsam drei Inhaftierte zu befreien, die zuvor Journalisten verprügelt hatten und deswegen in Polizeigewahrsam genommen wurden waren. Zuvor hatten sie Stöcke und Steine gegen die Polizei eingesetzt, worauf seitens der Polizei entsprechend reagiert worden war.

Obwohl am nächsten Morgen auf Vermittlung des Patriarchen der georgischen Kirche die Inhaftierten frei gesetzt wurden, wurde diese Gewaltaktion von verschiedenen Seiten (sowohl von Vertreter der georgischen Intelligenzija als auch durch diplomatische Vertreter der westlichen Staaten) verurteilt. Das Versprechen eines gewaltfreien Protestes war nicht eingehalten worden.[1] Nach dieser Reaktion auf die Aktion blieb der Opposition scheinbar nichts anderes übrig, als Dialogbereitschaft zu signalisieren. Sie haben Saakashvili 2-3 Tage eingeräumt, um sich mit ihnen an einen Verhandlungstisch zu begeben. Sollte er dieses Angebot nicht annehmen, wird damit gedroht, die Aktionen auszudehnen und alle Hauptstrassen Georgiens zu blockieren.

Trotz dieser Situation befindet sich Saakashvili selbst bereits einige Tage in Prag auf dem Gipfel des neuen EU-Ostpartnerschaftsprogramms und seine Reaktion auf die Vorschläge der Opposition ist bisher nicht bekannt. Es ist anzunehmen, dass er sie annehmen wird.

Interessant ist, dass selbst der Vertreter des unversöhnlichsten Teils der Opposition, Salome Zurabishvili (Führer der Partei „Weg Georgiens“), erklärte: „Soll uns doch Saakashvili erklären, welchen Weg er nun aus der Krise sieht!“ – Das bedeutet faktisch, dass die Opposition nach wochenlangen Demonstrationen und Aktionen zur Lösung kamen, die von Anfang an die Machtinhaber vorgeschlagen hatten: Dialog.

Es erhebt sich aber die Frage: warum es dann notwendig war eine solche Krisensituation herbeizuführen. Was bewegte die Opposition und was hat sie eigentlich erhofft?

Unserer Beobachtung nach ist die Opposition so vielschichtig, dass sie im Moment nur ein einziges Element verbindet: der Hass auf Saakashvili und der Wunsch ihn zu stürzen.  Alternative Konzeptionen  für die politische und sozialökonomische Entwicklung des Landes haben lediglich einzelne unter ihnen.

Wissend, dass ein großer Teil der Bevölkerung sie in ihren Anstrengungen nicht unterstützt, hofften sie darauf, dass die Machthaben wir im Herbst 2007 mit Gewalt reagieren und diese international geächtet werden würde. Damit zählte die Opposition vor allem auf den internationalen Druck, um Saakashvili zum Rücktritt zu zwingen. Doch diesmal erfüllten sich diese Hoffnungen nicht. Trotz aller Provokationen seitens der Opposition hat die Regierung Saakashvilis jegliche Verschärfung vermieden und sich erstaunlich zurück gehalten. Immerhin wusste man, dass in den aufgestellten Zelten der Opposition Stöcke und Steine gelagert wurden, man sich faktisch auf Zusammenstöße mit der Polizei vorbereitet hatte. Nach unserer Beobachtungen wollten viele oppositionellen Aktivisten eindeutig gewaltsame Auseinendersetzungen mit der Regierungskräften. Aber es gelang der Opposition nicht, die Polizei und Sicherheitskräfte zu größerem Gehwalteinsatz provozieren, so dass man sich letztlich zu jener Gewaltaktion entschloss, über die oben berichtet wurde, im Resultat derer 22 Teilnehmer, 6 Polizisten und 1 Journalist verletzt wurden.

Das Scheitern bedeutet, also, in unseren Augen das Ende des Einflusses des gewaltbereiten Flügels der Opposition, da die Unterstützung in der breiten Bevölkerung für Gewaltaktionen schwindend ist.

Allerdings zeichnet sich bisher innerhalb der außerparlamentarischen Opposition vor allem eine Persönlichkeit durch sein konstruktives und ausgleichendes Auftreten ab: Irakli Alasani, Führer der „Alijans für Georgien“. Er  bezeichnete diese letzten Ereignisse als „katastrophal“ für das Land und forderte als erster einen möglichst schnellen und bedingungslosen Dialog mit der Regierung.[2] Im Unterschied zu anderen ultimativen Oppositionspolitikern, die sich nur um einen Punkt (Saakashvilis Rücktritt) drehen,  bereitete Alasani mit seiner Mannschaft bereits konkrete Vorschläge vor. Er erklärte, dass zunächst eine Reihe von Fragen zu besprechen seien, um das Vertrauen zwischen Regierung und Opposition, Regierung und Bevölkerung wiederherzustellen. Also sollte man seine völlig konstruktive  Position mit andern keinesfalls gleichstellen.

Dabei muss man merken, seine Situation ist gegenwärtig sehr schwierig. Er befindet sich momentan faktisch in einer sehr heiklen Situation: Einerseits ist seine Partei nicht im Parlament vertreten, andererseits ist er in dem außerparlamentarischen radikalen Lager der Opposition nicht besonders „erwünscht“. D.h. er war immer wieder gezwungen, Protestaktionen der ultimativen Opposition zu unterstützen, obwohl diese kompromisslose Art des politischen Kampfs eigentlich seiner persönlichen Natur und politischen Kultur widerspricht. Auch in dieser Beziehung scheint er sich von anderen Vertretern der Opposition grundsätzlich  zu unterscheiden.

 

Welche Prognosen sind für die nahe Zukunft möglich?

Wie bereits vermutet, wird es der Opposition höchstwahrscheinlich nicht gelingen ihr Ziel „Sturz Saakasvilis“ durchzusetzen. Also, wenn es nichts Außerordentliches passiert kann er seine Macht bis 20013 behalten.

Andererseits, es ist anzunehmen, dass Saakashvili versuchen wird, die „Opposition der Strasse“ auf irgendeine Weise in die Wände des Parlaments einzubeziehen. Uns wurde bekannt, dass er  notfalls dazu auch bereit wäre, den Weg vorgezogener Parlamentswahlen zu gehen, die Befugnisse des Parlaments zu erweitern und dafür die Rechte  des Präsidenten (bis hin zum Kontrollrecht des Parlaments über den Präsidialapparat) zu beschneiden. – Eine Lösung, die sicher ein entscheidender Schritt zur Normalisierung der politischen Verhältnisse in Georgien wäre.

 

Postfaktum: David Bakradze, der georgischen Parlamentspräsident, hat vor kurzum bekannt gegeben, dass es bereit mit den Vorbereitungen auf den Dialog zwischen Regierung und der Opposition begonnen wurden. Es kann sein, dass der erste Treffen heute schon stattfinden werde.

 

Rasim Mirzayev

08.05.09


[1] Andererseits gibt es Berichte, dass auch von Seiten der Spezialeinheiten unverhältnismäßig reagiert worden ist und die Verhafteten speziellen Prügeln ausgesetzt waren. Die bisherige „Gelassenheit“ der Sicherheitskräfte scheint einer zunehmenden Nervosität zu weichen, die brutale Formen annehmen kann.

[2] Sein ausgeglichenes Verhalten und seine gelassene Art ist schon bei anderen Situationen auch aufgefallen:beispielweise während Vertreter der Opposition es ablehnten gemeinsam mit dem Präsidenten den österlichen Gottesdienst in der Hauptkathedrale zu feiern, war Alasani anwesend und ergriff die ausgestreckte Hand Saakashvilis vor den Augen der Gläubigen. Seine Geste hat Präsident als „Bekundung der Bereitschaft für den nationalen Frieden“  bezeichnet.

 

 

8. Mai 2009 | Artikel, Kaukasus, Publikationen | Bookmark |
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